New York City Marathon 2017

 

Was für ein Wahnsinns Marathon. Wenn ihr die Möglichkeit habt diesen zu Laufen, dann müsst ihr es tun. Das muss man mal erlebt haben. Unglaublich diese Emotionen - nicht nur während des Marathons - sondern auch davor und vor allem auch danach. 

 

Für mich persönlich war es der härteste, aber auch der schönste und emotionalste Marathon in diesem Jahr. Klar auch Zürich und Davos waren sehr herausfordernd und enorm hart, aber New York City war nochmals etwas härter auf Grund meiner Verletzung. Die Zeit war natürlich sehr enttäuschend, aber unter den gegebenen Umständen war es schon fast ein Wunder, dass ich überhaupt durchgelaufen bin. 

 

Eines ist für mich klar, ich werde da irgendwann nochmals hingehen müssen, denn die Zeit von 4h39'05" kann ich so nicht stehen lassen. Auch wenn diese Zeit der Verletzung geschuldet ist nagt das schon an mir, zumal ich ja in Zürich 3h52' gelaufen bin. Deshalb muss ich auf jeden Fall irgendwann nochmals nach New York und eine Zeit unter 4h setzen.

 

Bevor ich nun von meinen Erlebnissen in New York berichte möchte ich nochmals kurz zurückgehen zur Entstehung meiner Verletzung an der Achillessehne.

 

Die Vorgeschichte meiner Verletzung

 

8.Oktober 2017 - Es war ein regnerischer Sonntag und auf dem Programm stand ein langer Lauf. Ich freute mich sehr auf diesen, weil ich mit meinem Göttibuben abgemacht habe und ihn auf einer Teilstrecke von ca. 6 Kilometern mitnehmen wollte. Ich nahm mir also vor die ersten 16 Kilometer alleine zu laufen, ihn dann aufzusammeln die nächsten 6 Kilometer mit ihm zusammen zu laufen und dann den Rest nach Hause wieder alleine zu laufen. 

 

Bereits nach 5 Kilometern spürte ich einen leichten Schmerz in der rechten Achillessehne und ich dachte noch muss das jetzt sein. Auf Grund dessen, dass ich mit meinem Göttibuben abgemacht hatte und ihn nicht enttäuschen wollte habe ich nicht abgebrochen, sondern bin mit der schmerzenden Achillessehne einfach weiter gelaufen. Wie sich dann herausstellte war dies ein grosser Fehler, aber es musste wohl so sein.

 

Am Anfang dachte ich noch o.k eine Woche Pause und dann ist das wieder gut. Als aber auch nach der dritten Woche immer noch keine Besserung da war wurde ich langsam nervös. Ich bin in dieser Zeit immer nur am Dienstag in meinem Laufkurs gelaufen. Die Achillessehne spürte ich immer bereits nach wenigen Schritten. Auch im letzten Laufkurs fünf Tage vor dem Marathon. Ich stellte mich also bereits dort auf ein sehr schmerzhaftes Rennen ein.

 

 

Der Start

 

Morgens um 06.15 Uhr wurden wir vom Hotel an den Start gefahren. Auf dem Startgelände war alles perfekt organisiert und die Wellenstarts funktionierten einwandfrei. Mann muss sich vorstellen, dass an diesem Morgen über 50'000 Läuferinnen und Läufer den Marathon unter die Füsse nahmen. Trotzdem klappte alles ohne grosses Gedränge.

 

Kurz vor dem Start fragte ich mich dann wie wird es wohl mit meiner Achillessehne gehen. Werde ich von Anfang an leiden müssen oder wirkt die Taktik die ich in den letzten Tagen angewandt hatte. Ich war guter Dinge, dann ich hatte den ganzen Morgen nichts gespürt.

 

 

Die erste hälfte des Rennens

 

Dann ging es los mit dem Start auf Staten Island und es ging gleich über die lange Brücke rüber nach Brooklyn. Am Strassenrand tausende von Menschen und eine tolle Stimmung. Da wirst du auf jedem Meter der Strecke angefeuert.

 

Ich war sehr überrascht, denn ich verspürte keinerlei Beschwerden an meiner Achillessehne. Ich wartete eigentlich nur darauf, dass die Schmerzen losgingen, aber auch nach den ersten fünf Kilometern spürte ich noch nichts. Ich beschloss nicht mehr daran zu denken. Dies war aber leichter gesagt als getan, denn ich wurde etwa jeden Kilometer daran erinnert. Es gab da eine Hilfsorganisation, welche behinderte Menschen beim Marathon begleiteten. Die hatten gelbe Westen mit dem Namen der Organisation auf der Rückseite und nun dürft ihr mal raten wie die hiessen - genau "Achilles"............

 

Dann nach fünf Kilometern die ersten Schmerzen, jedoch nicht an der Achillessehne, sondern am linken äusseren Fussballen. Ich dachte zuerst es sei eine Blase. Wie sich aber später herausstellte - leider erst bei Kilometer 25 - hätte ich nur kurz anhalten müssen und die Socke neu richten, dann wäre dieser Schmerz gleich wieder weg gewesen. Ich war aber so schön im Rhythmus und wollte nicht anhalten. Also bin ich mit diesem Schmerz weitergelaufen. Das fatale daran war, dass ich auf Grund dieser Schmerzen meinen Laufstiel etwas änderte, was später im Rennen zu weiteren Problemen führen sollte.

 

Das überholen war trotz der vielen Menschen von Anfang an sehr gut möglich, da die Strassen sehr breit waren. Ich bin meistens aussen gelaufen und habe wohl während des ganzen Rennen hunderte von Händen abgeklatscht. Das gab jeweils immer zusätzliche Energie, vor allem in der zweiten hälfte als es mir schlecht ging.

 

 

Dann nach 20 Kilometern verspürte ich - wie angeworfen - einen starken Schmerz im rechten Bein. Es fühlte sich zuerst wie eine Wadenverhärtung an. Wie sich aber später herausstellte kam der Schmerz von der Achillessehne her die nun bis zur Wade hochzog. Den ursprünglichen Schmerz in meiner Achillessehne konnte ich aber nach wie vor nicht spüren. 

 

Wie ist es mir nun aber gelungen, dass meine Achillessehne auf den ersten 20 Kilometern des New York Marathon kein Thema war?

 

Auf dem Flug von Zürich nach New York habe ich ein Buch gelesen in dem es unter anderem auch um Autosuggestion ging. Da wurde ich wieder an die Kraft der Suggestion erinnert, die ich in den letzten beiden Jahren näher kennenlernen durfte und bereits mit Erfolg in meinem täglichen Leben angewandt hatte. Ich konnte in meinem Alltag immer wieder feststellen, dass dies funktioniert und dachte vielleicht kann ich das auch für meine Verletzung nutzen. Denn bisher bin ich mit dem Gedanken nach New York geflogen, dass mir meine Achillessehne während des Laufes viel schmerzen bereiten wird.

 

Ich habe dann die drei Tage vor dem Marathon, immer am Abend bevor ich ins Bett ging und am Morgen nach dem Aufstehen, mir jeweils fünf Minuten positiv zugeredet, wie z.B. "Meine Achillessehne wird im Rennen keine Rolle spielen. Ich werde am Tag des Marathons Schmerzfrei laufen. Ich werde den Marathon auf jeden Fall geniessen. Ich werde auf jeden Fall bis zum Ende laufen" und so weiter. 

 

Ich weiss nicht wie ich es erklären soll, aber ich hatte am Tag vor dem Marathon meine Achillessehne noch ziemlich stark gespürt und am Tag des Marathons war der Schmerz weg (zumindest auf den ersten 20 Kilometern).  Hätte ich meine Gedanken nicht drei Tage vor dem Rennen "umgepolt" ich denke nicht, dass ich den Marathon zu Ende gelaufen wäre. 

 

 

Die zweite hälfte des Rennens

 

Nun ging das Leiden so richtig los. Nachdem bei Kilometer 20 die "Verhärtung" im rechten Bein wie angeworfen da war, brach der Kilometerschnitt drastisch zusammen. War ich bei Kilometer 19 noch mit einem Schnitt von 5:40/km unterwegs, stieg dieser beim nächsten Kilometer gleich auf 6:25. Trotz allem lag die Halbmarathon-Zeit mit 1:55:41 ziemlich genau in dem Bereich den ich auch wollte, um den Marathon unter vier Stunden zu Laufen.

 

Kilometer 24 und 25 waren dann aber ein 8er Schnitt. Dies lag allerdings auch daran, dass ich dort dann endlich meine Socke nachgezogen hatte und so zumindest der Schmerz im linken Fussballen somit weg war. Da ich aber auf Grund dieser Schmerzen meinen Laufstiel verändert hatte führte dies dazu, dass sich zusätzliche Beschwerden im Hüftbereich bemerkbar machten.

 

Dann kam jedoch völlig überraschen ein kleines Zwischenhoch. Auf den Kilometern 26 und 27 konnte ich dann eine 5:15 resp. 5:47 laufen. Das war aber nur ein kurzes Strohfeuer und das Leiden ging dann auch gleich wieder weiter. Aufgeben war jedoch zu keiner Zeit eine Option. Ich dachte immer, solange nicht definitiv etwas kaputt geht oder mir das Bein abfällt laufe ich einfach immer weiter.

 

Die Spannung auf der Achillessehne nahm jedoch im letzten Teil des Rennens immer mehr zu und ich hatte schon ein wenig die Befürchtung, dass vielleicht doch noch etwas kaputt gehen könnte. Ich habe aber immer versucht diese Gedanken gleich wieder zu verwerfen und mich mit Abklatschen der Hände am Strassenrand abzulenken. Die Hände kamen mir vor wie Tankstellen an denen man Energie tanken konnte.

 

Etwa bei Kilometer 28 war dann das Schweizer Konsulat. Da gab es natürlich eine extra Portion Anfeuerung und bei Kilometer 30 stand dann meine Frau zum ersten mal. Sie konnte dann eine Abkürzung nehmen und ich habe einen kleinen Umweg über die Bronx genommen. Dann ging es durch Harlem und ich sah meine Frau dann wieder bei Kilometer 36. Dann ging es noch um den Central Park und Richtung zum Ziel im Park.

 

Der Zieleinlauf fühlte sich wie eine Erlösung an. Meine ersten Gedanken waren "Geschafft, trotz der vielen Misslichkeiten" aber auch "Diese Zeit ist Bullshit". Trotzdem muss ich zufrieden sein da es schon fast ein Wunder ist, dass ich den Marathon überhaupt starten und beenden konnte.

 

Aber eines ist auch klar, ich werde diesen Marathon irgendwann nochmals laufen, denn diese Zeit kann und will ich so nicht stehen lassen. Wenn die PB bei 3:52 liegt, dann geht diese Zeit unten gar nicht. 

 

 

Der Tag danach

 

In New York ist es Tradition am nächsten Tag mit der Medaille auf die Strasse zu gehen. Man wird überall angesprochen "God job, "Congratulations" "Yes, you did it" etc. Ein wirklich tolles Gefühl und man spürt, dass die New Yorker unheimlich stolz auf ihre Marathon sind. Das dürfen sie auch sein, denn ich denke diesen Marathon zu laufen ist für einen Läufer das grösste.